14.06.2024

Nutzniessung im Lichte der Ergänzungsleistungen

Bei der Nachfolgeplanung für ein Grundstück ist es ein klassischer Wunsch: Die Eltern möchten zwar ihr Haus oder ihre Wohnung an die nächste Generation weitergeben, die eigene Nutzung soll aber weiterhin möglich bleiben. Eine Variante, um dies zu erreichen, ist die Nutzniessung oder die Einräumung eines Wohnrechts. Allerdings kann der spätere Verzicht beim Auszug aus dem Haus unbeabsichtigte finanzielle Folgen haben.

Bei einem Verzicht auf die Nutzniessung oder ein Wohnrecht ist Vorsicht geboten. Bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen (EL) wird nämlich auch geprüft, ob auf Einkommen oder Vermögen verzichtet wurde. Falls das so ist, wird die EL-Zahlung teilweise oder ganz entfallen. Ein Verzicht auf eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht geht in diese Richtung. Dies war auch in einem kürzlich publizierten Entscheid (LGVE 2024 III Nr. 3 vom 13. November 2023) des Kantonsgerichtes der Fall.

Darum ging es im Gerichtsentscheid

Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann verkauften ihrem Sohn ihr Grundstück, auf welchem sich ein Mehrfamilienhaus mit drei Wohnungen befand. Die Wohnung im Erdgeschoss bewohnten weiterhin die Eltern, die Wohnung im 1. Obergeschoss war fremdvermietet und die Wohnung im 2. Obergeschoss wurde vom Sohn und seiner Familie bewohnt. Gleichzeitig mit dem Verkauf wurde an der gesamten Liegenschaft eine lebenslängliche Nutzniessung zu Gunsten der Eltern begründet. Der Barwert dieser Nutzniessung wurde voll an den Kaufpreis angerechnet. Soweit wäre es grundsätzlich wenig problematisch. Die Besonderheit lag in diesem Fall aber darin, dass im Kaufvertrag ein Kündigungsrecht und damit eine Löschung der Nutzniessung im Grundbuch ohne Entschädigungspflicht vorgesehen war, wenn die Eltern die Wohnung nicht mehr selber für sich nützen.

Löschung der Nutzniessung nach Heimeintritt mit Folgen

Nachdem der Vater verstorben war, trat die Beschwerdeführerin aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes in ein Heim ein. Die Nutzniessung wurde daraufhin gemäss Abmachung im Kaufvertrag vom Sohn gekündigt und im Grundbuch gelöscht. Anschliessend erfolgte die Anmeldung zum Bezug von EL. Die Ausgleichskasse war nun der Meinung, dass die Mutter auf Einkommen verzichtet habe. Deshalb wurden keine EL ausbezahlt. Nach Ansicht der Ausgleichskasse hätte die Mutter die Erträge aus der Vermietung der drei Wohnungen für die Bezahlung ihrer Heimkosten verwenden können und sollen. Die Vereinbarung im Kaufvertrag sei nur erfolgt, um vorzeitig EL beziehen zu können.

Dazu muss man wissen, dass mit der Anpassung des Gesetzes über die EL im Jahr 2021 die Regeln verschärft wurden. So wurde in Art. 11a der Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte näher geregelt. In Abs. 2 ist festgehalten, dass Einnahmen, Vermögenswerte und gesetzliche oder vertragliche Rechte, auf die eine Person ohne Rechtspflicht und ohne gleichwertige Gegenleistung verzichtet hat, als Einnahmen angerechnet werden, als wäre nie darauf verzichtet worden. Dazu wurde in Art. 15e Abs. 1 der Verordnung zur EL festgelegt: Verzichtet eine Person freiwillig auf eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht, so ist der Jahreswert der Nutzniessung oder des Wohnrechts bei den Einnahmen anzurechnen.

Anrechnung des Wertes der Nutzniessung

Im obigen Fall hatte die Beschwerdeführerin ohne entsprechende Gegenleistung mit dem Verzicht auf die Nutzniessung auf ein jährliches Einkommen von Fr. 37’249.– verzichtet. Dieser Betrag wurde als jährliche Einnahme bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen berücksichtigt. Da die Nutzniessung lebenslänglich eingeräumt wurde, erfolgt auch die Anrechnung des Verzichts lebenslänglich.

Bei Begründung von Wohnrecht und Nutzniessung bereits an die Beendigung denken

Der Entscheid des Kantonsgerichts zeigt die einschneidenden Auswirkungen auf, welche der Verzicht auf eine Nutzniessung beim Bezug von Ergänzungsleistungen hat. Daher ist bei der Begründung einer Nutzniessung (oder eines Wohnrechts) genazu zu prüfen, ob und wie eine Kündigungsmöglichkeit vorgesehen wird. Es lohnt es sich auch deswegen zu überlegen, ob mit einem langfristigen Mietvertrag die Ziele nicht besser erreicht werden. Unser Notariatsteam kann sie gerne zur passenden Vorgehensweise beraten.