
11.04.2025
Die lieben Fristen
In einem frisch publizierten Entscheid des Kantonsgerichts wird klargestellt, wie mit den Fristen im Steuerrecht umzugehen ist. Vielleicht würde man denken, eine Frist sei eine banale Sache, man müsse einfach die entsprechende Anzahl Tage ab der Zustellung abzählen und man komme so zum Ergebnis. Die ganze Sache ist aber – einmal mehr – etwas komplizierter.
Berechnung von Fristen
Für die Berechnung der Fristen gibt es in den unterschiedlichen Rechtsgebieten je separate Regeln. So gelten beispielsweise im Arbeitsrecht, im Mietrecht, im Betreibungsrecht, im Strafrecht und im Verwaltungsrecht je eigene Grundsätze. Dies betrifft Fragen rund um die Zustellung, für den Beginn der Frist (besonders wenn man nicht zu Hause ist) oder für den Fristenstillstand (sogenannte „Gerichtsferien“). Im kantonalen Verwaltungsrecht gibt es keine Gerichtsferien, Betreibungen dürfen in den Sommerferien vom 15. bis 31. Juli nicht zugestellt werden, im Zivilprozess dauert der Fristenstillstand im Sommer hingegen vom 15. Juli bis 15. August (natürlich wiederum mit Ausnahmen für bestimmte Verfahrensarten …). Wenn man ein Einschreiben nicht sofort entgegennehmen kann, wird im Arbeitsrecht grundsätzlich erwartet, dass man am nächsten Tag zur Post geht, um den Brief abzuholen. Im Mietrecht darf man aber teilweise bis zu sieben Tage zuwarten, erst dann beginnt die Frist automatisch zu laufen (auch wenn der Brief gar nie abgeholt wird). Insgesamt kann man – wie fast immer bei rechtlichen Fragen – sagen: Es kommt drauf an.
Besonderheiten im Steuerrecht
Im Steuerrecht kommt zu all dem noch dazu, dass die Entscheide nicht immer so datiert werden, wie man es erwarten würde. Sie haben vielleicht auch schon eine Steuerveranlagung erhalten, welche ein zukünftiges Datum aufwies. Das war aber keine Zustellung aus der Zukunft, sondern eine sogenannte „Nachdatierung“ durch die Behörden. Genau ein solcher Fall musste nun vom Kantonsgericht entschieden werden.
Um das geht es im Entscheid
Ein Ehepaar erhielt eine Steuerveranlagung, bei der als Datum der 10. August aufgedruckt war. Dieser Brief wurde während der Ferienabwesenheit des Ehepaars mit A-Post Plus zugestellt. Solche Sendungen haben zwar einen Strichcode zur Sendungsverfolgung (wie ein Paket), werden aber nicht persönlich ausgehändigt (wie ein Einschreiben). Die Steuerveranlagung wurde nun gemäss Sendungsverfolgung bereits am 3. August der Post übergegeben. Am 4. August wurde dann der Brief von der Post in den Briefkasten des Ehepaars gelegt, womit die Zustellung erfolgt ist. Die Einsprachefrist beträgt nach Gesetz dreissig Tage ab Zustellung. Diese Frist kann nicht erstreckt werden. Das Ehepaar verlangte mit einer auf den 7. September datierten Einsprache die Aufhebung der Steuerveranlagung, versendet wurde diese am folgenden Tag (8. September). Die Steuerbehörde stellte sich mit Entscheid vom 19. Oktober – Versand wiederum eine Woche vorher, nämlich bereits am 12. Oktober – auf den Standpunkt, die Einsprache sei verspätet.
Mangelhafte Zustellung durch die Steuerbehörde – was nun?
Es ist ein allgemeiner Grundsatz, dass ein fehlerhaftes Vorgehen einer Behörde keinen Nachteil für die Bürgerinnen und Bürger haben soll. Die Nachdatierung ist ein solcher Fehler, oder wie es das Kantonsgericht so schön ausdrückt: „Eine den Gepflogenheiten im Amts- und Geschäftsverkehr widersprechende Situation“. Dieser Mangel ist aber wiederum nicht so schwer, dass der Steuerentscheid bereits deswegen ungültig (sprich: nichtig) wäre. Es darf einfach keine nachteiligen Folgen haben (das hat auch das Bundesgericht in einem früheren Steuerfall aus dem Kanton Luzern so entschieden). Die Frage ist nun, ob die Beschwerde des Ehepaars innert der gesetzlichen Frist eingereicht wurde, weil diese zwar innert dreissig Tage ab Entscheiddatum, aber eben nicht ab Zustellung erfolgt ist.
Das hat das Kantonsgericht entschieden
Kurz gesagt hat das Kantonsgericht entschieden, dass davon auszugehen ist, dass die Steuerveranlagung zusammen mit weiteren Dokumenten wie der Steuerrechnung am 4. August zugestellt wurde. Damit hat am Tag darauf die Einsprachefrist zu laufen begonnen und endete am 4. September. Allerdings kann von Laien allgemein nicht erwartet werden, dass sie beim Posteingang überprüfen, ob ein Entscheiddatum mit dem Sendungsverlauf übereinstimmt. Wenn also keine Vorkenntnisse bestehen, führt die nach Kantonsgericht „durch die Steuerbehörde geschaffene treuwidrige Situation“ dazu, dass man auf das Entscheiddatum vertrauen darf. Dies umso mehr, da die Zustellung in den Ferien des Ehepaars erfolgte sowie die Zahlungsfrist der Steuerrechnung (auch hier innert dreissig Tagen) auf den 9. September datiert war (somit ab Entscheiddatum berechnet, nicht ab Zustellung), ohne einen Hinweis darauf, dass die Steuerveranlagung allenfalls bereits vor der Zahlungsfrist rechtskräftig wird.
Vorliegend hat das Ehepaar nach Erhalt der Steuerveranlagung einen Treuhänder für die Beratung zur Einsprache beigezogen. Da dies eine Fachperson ist, wäre zu erwarten, dass die Zustellung und der Fristenlauf kontrolliert wird. Da der Beizug mutmasslich aber erst am 4. September und damit am letzten Tag der Frist (ab Zustellung) erfolgt ist, führt das im vorliegenden Fall nach Ansicht des Kantonsgerichts zu keiner anderen Bewertung der Situation. Aufgrund des fehlerhaften Entscheiddatums vom 10. August war vom Treuhänder nicht als allererstes eine Kontrolle der Zustellung zu erwarten, da bei korrekter Datierung noch einige Tage zur Prüfung verblieben wären.
Was man aus dem Entscheid mitnehmen sollte
Zusammengefasst kann man sagen, dass Fristen bei Briefen mit A-Post Plus grundsätzlich mit der Zustellung bzw. dem Eingang beim Briefkasten zu laufen beginnen. Wenn also Briefe von Behörden eine Frist auslösen, sollte man immer das Couvert mit der Sendungsverfolgung aufbewahren. Wenn aber die Datierung des Entscheides fehlerhaft ist und man dies aufgrund weiterer Umstände nicht ohne weiteres bemerken kann, so muss die Behörde die Folgen aus diesem Fehler tragen. So kann auch eine eigentlich verspätete Einsprache noch zulässig sein. Schliesslich ist es aber immer hilfreich, wenn frühzeitig nach Erhalt eines Entscheides fachliche Unterstützung beigezogen wird, da gesetzliche Fristen (z.B. eine Einsprachefrist) nicht erstreckt werden können.